«Suppe Seife Seelenheil» von Matto Kämpf: witzig-irrer Trip
Was tun, wenn man sich ohne Handy, Geld und Ausweis in einem fremden Land wiederfindet – in Handschellen? In «Suppe Seife Seelenheil» beschreibt der Berner Schriftsteller Matto Kämpf einen Zustand zwischen Alb- und ...
Was tun, wenn man sich ohne Handy, Geld und Ausweis in einem fremden Land wiederfindet – in Handschellen? In «Suppe Seife Seelenheil» beschreibt der Berner Schriftsteller Matto Kämpf einen Zustand zwischen Alb- und ...
Was tun, wenn man sich ohne Handy, Geld und Ausweis in einem fremden Land wiederfindet – in Handschellen? In «Suppe Seife Seelenheil» beschreibt der Berner Schriftsteller Matto Kämpf einen Zustand zwischen Alb- und Wunschtraum.
Eine «ruinierte Kreatur», offenbar Schweizer, wird schlafend und zerzaust in einem bosnisch-herzegowinischen Gebüsch gefunden und von der Polizei nach Sarajewo gebracht. So fängt der neue Roman von Matto Kämpf an, also eigentlich am Ende der Geschichte. Und nun geht es über rund 100 Seiten darum, wie genau er dort gelandet ist.
«Suppe Seife Seelenheil», so der Schriftsteller im Interview mit Keystone-SDA, sei eine Parodie auf den Zustand, in dem man das, was heute als existenziell gilt, auf einen Schlag verliert: Handy, Kreditkarte und Pass.
Eine Parodie unter anderem deshalb, weil der Protagonist zu alldem auch noch Handschellen trägt und in einem fremden Land auf der Flucht vor der Polizei ist. Die üblichen Auswege aus einer Situation ohne Telefon und Portemonnaie stehen ihm also nicht offen.
Was dann kommt, ist «eine irre Reise durch die serbische Provinz». Ein Trip, der sich vielmehr am Geisteszustand des Irrenden denn an einer konkreten Story orientiert. Und zwar mit Absicht. «Es sollte nicht zwingend extrem viel passieren», so Matto Kämpf. Er habe den Protagonisten bewusst nicht in einer Zelle landen lassen oder geschaut, dass ihm «etwas Krasses» zustösst.
Prosa zu Dessert
Der Geschichte liegt aber nicht nur eine weitere skurrile Idee Kämpfs, sondern auch ein persönlicher Gedanke zu Grunde. «Manchmal habe ich die Fantasie, einfach loszulaufen. Nach Bordeaux beispielsweise.» Er stelle sich das schön vor, mal ein paar Tage nicht online zu sein, fünf bis zehn Kilometer pro Tag zu wandern, «einfach mal weg».
Das Höchste, was er bisher geschafft habe, seien «Velotouren ohne Ziel». Von Bern aus sei er einfach in irgendeine Richtung gefahren und habe sich gefreut, an Orte zu kommen, an denen er noch nie war. Dieses Gefühl, dass der Verlust materieller Gegenstände nicht nur Fluch, sondern auch Segen ist, drückt denn auch in seinem Buch durch. Wobei es, wäre man selber in der Situation des Protagonisten, letztlich wohl doch eher weniger zu lachen gäbe als bei der Lektüre.
Spass hatte auch Matto Kämpf, als er die Geschichte zu Papier brachte. Das Schreiben von Prosa sei für ihn, der mit «Suppe Seife Seelenheil» seinen dritten Roman publiziert und auch Theaterstücke und Hörspiele veröffentlicht, eine Art «Dessert» oder «die Kür am Ende des Tages». Auf all seinen anderen Schreibarbeiten laste stets ein gewisser Druck. Deadlines, Aufnahmen, Premieren. Nicht so bei den Romanen. Diese kündigt er beim Verlag immer erst dann an, wenn es nur noch ums Überarbeiten gehe.
Geschichten aus dem «Lager»
Die Romane entstehen unter anderem aus Material, das Kämpf zuvor in seinem «Lager» aufbewahrte. Einem Ordner auf dem Computer, in dem er Ideen deponiert, die sich irgendwann in ein Bühnenstück, einen Roman oder eine andere Kunstform verwandeln könnten. Aktuell sei dort beispielsweise der Anfang eines Gedankenspiels zu finden, bei dem sich ein Mann ganz spontan als jemand anderes ausgibt.
Er habe die Geschichte in ihrer Unfertigkeit bereits auf der Bühne verwendet und denke oft, dass er sie, vielleicht in Romanform, zu Ende spinnen möchte. So hatte auch die Idee für das neue Buch schon seit einiger Zeit in einer Datei geschlummert bevor er sie während seines zweimonatigen Stipendienaufenthalts in Belgrad weiterentwickelte. «Allerdings wollte ich sie erst in Form eines Dialogs zwischen der Hauptfigur und einer Polizei-Psychologin herauszubringen.» So, dass man sie telquel auf die Bühne hätte bringen können.
Stefan Humbel, Dozent am Schweizerischen Literaturinstitut, habe dann aber die Idee eingebracht, das ganze Buch in Du-Form zu schreiben. Für den Lesenden wird es dadurch zuweilen unmöglich, zu erraten, wer sich gerade an wen wendet. Was den Sog des Buchs, in dem gleichzeitig sehr viel und auch sehr wenig passiert, nur befeuert. «Es führt ja eigentlich nirgends hin», sagt Matto Kämpf und verweist darauf, dass er das Buch anstelle eines spektakulären Showdowns «ein bisschen ausfaden» liess.
Man kann das aber auch anders sehen und sagen, dass «Suppe Seife Seelenheil» so rauschhaft endet wie kaum ein Buch. In einem Mix aus Text und einer zunehmenden Anzahl Zeichnungen, die sich auf einmal in den Text einstreuen, ohne auch nur das Geringste mit ihm zu tun zu haben. «Wenn in so einem Buch auf einmal eine schlechte Zeichnung kommt, hat man doch einfach Freude», so Kämpf.
Und natürlich hat er sich dabei etwas überlegt. «Ich hatte das Bild von einem Psychiater im Kopf, der während der Sitzungen Bilder auf seinen Block zeichnet.» Enten beispielsweise. Oder wie in seinem Fall: eine «Mehrzweckqualle» oder «33 Krokodile, also für jedes Lebensjahr von Jesus eines».
Der Beitrag «Suppe Seife Seelenheil» von Matto Kämpf: witzig-irrer Trip erschien zuerst auf Hoefner Volksblatt und Marchanzeiger.