Biden vor Nato-Gipfel in London: Eine spezielle Beziehung
Erst rund einen Monat ist es her, dass sich US-Präsident Joe Biden und der britische Premierminister Rishi Sunak in Washington getroffen haben. Nun kommen sie erneut zusammen, dieses Mal im britischen Regierungssitz in der Londoner Downing Street.
Auf seinem Weg zum Nato-Gipfel im litauischen Vilnius, der am Dienstag beginnt, legt der US-Präsident einen Zwischenstopp in London ein. Die enge Taktung legt den Schluss nahe, dass die Beziehungen so eng sind wie eh und je. Doch daran gibt es Zweifel.
Bei dem Kurzbesuch am Montag will Biden aber nicht nur den Premier treffen, sondern auch den britischen König Charles III. Der will seinem hochrangigen Gast einen pompösen Empfang mit militärischen Ehren vor historischer Kulisse auf Schloss Windsor nahe London bereiten. Zudem wollen die beiden über ein Thema sprechen, das ihnen besonders am Herzen liegt: Klimaschutz.
Ein Stopp in Berlin läge theoretisch auch auf der Strecke, doch Biden hat sich für London entschieden.
Beratungen mit Sunak in der Downing Street
Zunächst will Biden mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak zusammenkommen. Bei dem Treffen im Regierungssitz 10 Downing Street wolle der US-Präsident über eine Reihe bilateraler und globaler Themen sprechen, teilte Bidens nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan vor der Reise mit. Auch die Themen des bevorstehenden Nato-Gipfels dürften dabei eine Rolle spielen. Besonders militärisch ist die Zusammenarbeit zwischen Washington und London noch immer eng.
Für Verstimmungen sorgte jedoch kürzlich die Entscheidung der USA, umstrittene Streumunition an die Ukraine zu schicken. Sunak sprach sich am Samstag öffentlich gegen den Schritt aus – ohne jedoch den Verbündeten direkt zu kritisieren. Ärger bereitet haben soll in London auch, dass aus den USA keine Unterstützung für eine Kandidatur des britischen Verteidigungsministers Ben Wallace als Nachfolger für Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kam.
Special Relationship – oder doch nur eine unter vielen?
Biden und Sunak haben sich im vergangenen halben Jahr gleich mehrfach gesehen. Erst kürzlich war Sunak zu Gast in Washington. Im März besuchte Biden zum 25. Jahrestag des Karfreitagsabkommen das zum Vereinigten Königreich gehörende Nordirland und die Republik Irland. Zum Missfallen vieler Briten verbrachte Biden aber die meiste Zeit in Irland, wo er seine Herkunft von der Grünen Insel zelebrierte. Für Sunak war nur ein kurzes Kaffeetrinken drin. Das schien sich nicht vereinbaren zu lassen mit der angeblich ganz besonderen Beziehung, die man mit den USA zu haben glaubte. Konservative britische Medien stellten gar die provokante Frage, ob Biden «anti-britisch» sei. Für den innenpolitisch unter Druck stehenden Sunak dürfte das Treffen mit dem mächtigsten Mann der Welt aber vor allem eine willkommene Gelegenheit sein, seine eigene Bedeutung als Staatsmann zu unterstreichen.
Treffen mit König Charles und Gespräche über Klimaschutz
Auf Schloss Windsor will der 80 Jahre alte US-Präsident dem britischen König Charles III. einen Besuch abstatten. Es ist dann das erste Zusammentreffen zwischen Biden und Charles seit dessen Krönung Anfang Mai. Damals war Bidens Ehefrau Jill anwesend, nicht aber Biden selbst. Auch das hatten konservative britische Medien missbilligend zur Kenntnis genommen.
Dem Weissen Haus zufolge soll es dabei unter anderem um Mobilisierung von Geldern für den Ausbau sauberer Energien in Entwicklungsländern gehen. Der Schutz des Klimas ist ein Thema, für das sich der 74-jährige Charles seit langem einsetzt.
Kein Stopp in Deutschland
Vor Bekanntwerden von Bidens Reiseplänen war gerätselt worden, ob Biden einen Stopp in Deutschland einlegen würde. Seit seinem Amtsantritt im Januar 2021 war Biden nur einmal zu einem offiziellen Besuch in der Bundesrepublik – als Teilnehmer des G7-Gipfels im bayerischen Elmau. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) flog Anfang März zwar zu einem Arbeitsbesuch nach Washington, Biden war als Präsident aber noch nicht in Berlin. Nach dem Nato-Gipfel kehrt Biden nicht sofort nach Washington zurück, sondern fliegt weiter nach Helsinki, wo ein Treffen mit den Staats- und Regierungschefs von Finnland, Schweden, Dänemark, Island und Norwegen ansteht.