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Das WM-Spiel hat noch einmal extrem viel verändert. Die Wahrnehmung meiner Person ist eine ganz andere. Ich bekam während vier Tagen alles Mögliche zu hören. Die einen waren happy, andere total unzufrieden damit, dass ich sie aus dem Turnier geschossen habe. Viele verfolgen mich, sind stolz auf meinen Weg. Andere wenden sich ab, wollen auf keinen Fall mehr mit mir fotografiert werden. Der Stellenwert des Fussballs ist gigantisch. Was diese Sportart mit Kamerun macht, bekam ich während sechsundneunzig Stunden intensiv zu spüren – vielleicht so krass wie nie zuvor.
Verbandspräsident Samuel Eto’o hat Sie empfangen.
Die Unterhaltung mit ihm tat gut. Er warf mir nichts vor. «Ich bin dir nicht böse, Breel. Wir hätten unseren Job stattdessen besser machen sollen», sag-te er. Mich irritierte, in welch kärglichen Verhältnissen der Verband haust, wie bescheiden alles ist. Ich sagte ihm, dass ich als Mensch gerne etwas zurückgeben würde.
Inwiefern?
Sie müssen sich die Dimensionen vorstellen. In der Heimat meiner Eltern interessieren sich Hunderttausende für den Fussball, für meinen Sport, für meinen Weg. Die einen tragen das Schweizer Shirt, weil sie Fan sind, weil sie mir den Erfolg gönnen. Viele haben nichts, nur die Hoffnung auf bessere Zeiten, auf Entwicklung. Der Sport gibt ihnen Kraft – und mir auch. Ihr Enthusiasmus, ihr Wille, das Positive zu sehen, sind ansteckend. Da nehme ich viel mit nach Europa.
Was führt Sie immer wieder in Ihre Geburtsstadt Yaoundé zurück?
Die Bindung zur Familie und natürlich meine Stiftung. Es tut aber auch gut, immer mal wieder aus unserem europäischen System auszubrechen, in eine komplett andere Welt einzutauchen, sich mit der Realität in Afrika auseinanderzusetzen. Für mich ist es wichtig, nie zu vergessen, woher ich komme, wo ich die ersten Jahre meines Lebens verbracht habe. Diese Zeit will ich mir immer wieder nehmen.
Haben Sie… (Embolo unterbricht)
Und wissen Sie, ich habe eine Vision, ein grosses Ziel: ein Benefiz-Spiel in Kamerun, mit Granit (Xhaka), Manu (Akanji), Yann (Sommer), Afrikanern aus der Ligue un. Zwei Tage ihres Lebens müssten sie opfern. Daran arbeite ich, das schwebt mir vor. Geld ist vergänglich – deshalb will ich ihnen eine riesige Geschichte schenken. Etwas, woran sie sich immer erinnern werden, woran sie sich klammern können, das den Glauben stärkt, grosse Dinge erreichen zu können. Ich lebte hier, bis ich sechs war. Das andere Leben schien Lichtjahre entfernt. Ich träumte davon, so zu sein wie der grosse Samuel Eto’o. Er inspirierte mich. Er ist einer der Gründe, weshalb ich oben angekommen bin. Positive Gefühle sind in diesem Land unfassbar wichtig – das Hungerleiden ist allgegenwärtig, das wirkt zermürbend.
Komplizierte Momente und ein medialer Spiessrutenlauf liegen hinter Embolo. Im Winter 2021 geriet er während der Coronapandemie wegen eines Party-Besuchs ins Visier der Polizei, und nahezu zeitgleich veranstaltete die «Bild-Zeitung» eine mittlere Treibjagd: «Skandal! Embolos Dachflucht!» Eben erst befasste sich ein Basler Gericht wegen eines fünf Jahre zurückliegenden Vorfalls im Basler Nachtleben mit dem Fussballer. Die Art und Weise der öffentlichen Aufarbeitung setzt ihm zu. Frust, Enttäuschung, Selbstkritik – ein Wechselbad der Gefühle.
Zurück zu einer anderen Realität, zu den negativen Schlagzeilen über Sie in den letzten Monaten und Jahren. Wie haben Sie diese Geschichten verdaut?
Die Geschichte wegen Corona bewegte mich. Ich sagte meine Meinung nie. Es kursierten Unwahrheiten im Netz. Das blieb so stehen. Andere Texte, die angepasst oder korrigiert wurden, wurden öffentlich nicht mehr besprochen. Es gab nur eine Richtung. Das hat mich echt irritiert. Für die ganz grossen Schlagzeilen interessierte man sich. Ich komme aus einer Familie, die nahezu jeden Tag ums Essen gekämpft hat. Ich habe schon ein Mass an Demut mitgenommen. Deshalb störten mich die wochenlangen Attacken – weil sie am Ende auf meine familiäre Existenz zielten und die Relationen verloren gingen.
Ich spiele Fussball, weil ich inspiriert worden bin. Ich spiele aber auch für meine Familie, damit ich ihr helfen kann. Darum stehe ich jeden Tag auf und arbeite hart. Kritik gehört dazu. Ich weiss das und stelle diesen Punkt auch nicht in Abrede. Ich möchte gerne authentisch bleiben. Auch im Kontakt mit den Menschen. Ich kann Nähe schon aushalten.
Dazu wird immer eine Meinung gefordert. Wenn du dann eine klare Meinung äusserst, empfinden andere Beobachter das als unpassend, unflätig, inkorrekt. Sie zerren das Schlechte in den Vordergrund. Deshalb äussere ich mich oft gar nicht mehr, weil ich mir diesen Stress ersparen will. Ich will den Fuss-ball geniessen, und ich bin auch bereit, den entsprechenden Preis für meine Haltung zu bezahlen. Aber in erster Linie bin ich schlicht gar nicht so wichtig.
Und das jüngste Problem mit dem Gerichtsfall in Basel?
Mir ist klar geworden, dass ich nicht nur für den Namen meiner Familie stehe. Ich vertrete aufgrund meiner Bekanntheit auch einen Teil der Schweiz. Mir ist bewusst geworden, dass ich mir unter der öffentlichen Lupe nahezu nichts mehr erlauben kann und sollte. Ich bewege mich in einer der populärsten Sportarten. Es gibt Vorgaben und perfekte Bilder, die man besser erfüllen sollte.
