Gefährdet:
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July 13, 2023

Gefährdet:

Landwirte leiden schweizweit unter einem massiven Befall von Kartoffelkäfern. Weil die Ernte bedroht ist, wurden die Bestimmungen für Insektizide angepasst.

Sie sind beinahe niedlich, die kleinen Käfer mit ihrem schwarz-gelb gestreiften Panzer. Doch die Winzlinge sind alles andere als harmlos, sondern sogar sehr gefrässig. Insbesondere die Larven der Blattkäfer richten immensen Schaden an.

Auch am Zürichsee gibt es Landwirte, die Kartoffeln anbauen und unter den Insekten leiden: «Viele Stauden sind kaputt. Ein Drittel der Kartoffelpflanzen haben die Käfer gefressen», sagt Stephan Vetsch. Der Landwirt vom Stockenhof in Kilchberg wird in diesem Jahr von einer massiven Kartoffelkäfer- Invasion geplagt.

Zweimal habe er versucht, mit einem biologischen Mittel die Käfer zu bekämpfen. Dann musste er beim Strickhof, dem Kompetenzzentrum für Agrar-, Lebensmittel- und Hauswirtschaft, eine Sonderbewilligung für ein stärkeres Insektizid beantragen.

Pflanzen erst spät gesetzt

Auch Gottfried Gachnang, der den Hof auf dem Horgenberg gemeinsam mit seinem Sohn führt, musste bereits zweimal spritzen. «Bis jetzt musste ich aber noch keine Sonderbewilligung für ein stärkeres Spritzmittel einholen », sagt er. Wenn er aber weiterhin Kartoffelkäfer findet, müsse er auch darauf zurückgreifen. Ein Grund für den massiven Befall sei das Wetter, vermutet er: «Wir konnten die Pflanzen erst später als üblich setzen, da es lange Zeit zu feucht war», sagt Gachnang. Mittlerweile sei der Boden aufgrund der Trockenheit aber teilweise hart wie Beton. «Die Stauden wachsen nicht gut und sind darum anfälliger für die Angriffe der Kartoffelkäfer.»

Zu kleine Kartoffeln

Dass der Schädlingsbefall durch Kartoffelkäfer in diesem Jahr schweizweit extrem ist, bestätigt Fiona Eyer von der Fachstelle Pflanzenschutz vom Strickhof. «Die heissen und trockenen Temperaturen fördern derzeit Insekten. Leider auch Schädlinge wie die Kartoffelkäfer », erklärt sie.

Auf den Feldern befinden sich Eier, Larven und erwachsene Käfer gleichzeitig. Insbesondere die Larven der Kartoffelkäfer würden durch den Frass an den Blättern einen grossen Schaden verursachen. Sobald die Blätter gefressen sind, wachsen die Kartoffelknollen nicht mehr weiter, weil die Pflanzen keine Fotosynthese mehr betreiben könnten und somit die Energie für die Knollenbildung fehle. «Die Kartoffeln sind zwar nicht schlecht, aber zu klein für den Verkauf.» Wegen der Trockenheit bleiben die Pflanzen zudem in einem kleinen Stadium stehen und sind so noch schneller weggefressen.

Insektizid wirkt nicht

Bekämpft werden dürfen die Kartoffelkäfer erst, wenn sie in grosser Anzahl vorkommen und viel Schaden verursachen. Dies war in diesem Jahr bereits früh der Fall. Das Mittel, welches normalerweise zuerst eingesetzt werden muss, habe in diesem Jahr aller-dings eine ungenügende Wirkung gezeigt, und zu viele Käfer seien «lebend davon gekommen».

«Die Situation war relativ verzweifelt », sagt Eyer. Viele Landwirte hätten sich an den Strickhof gewandt, weil nach der ersten Behandlung kaum was passiert sei. Um die einheimische Kartoffelernte zu sichern, haben sich die Kantone Zürich, Aargau, Schaffhausen, Thurgau für eine Spezialstrategie entschieden und die Bestimmungen für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in diesem Jahr ausnahmsweise angepasst. «Weil das erste Mittel nicht die gewohnte Wirkung gezeigt hat, ha-ben wir für dieses Jahr den Zwang aufgehoben, dass dieses vor einem Einsatz eines weiteren Mittels mit höherem Wirkungsgrad gespritzt werden muss.» Im nächsten Jahr werde man aber zur alten Strategie zurückgehen.

Eingeschleppt wurde der Kartoffelkäfer aus Südamerika. «Zu Beginn hat-te man hier in der Schweiz noch die Hoffnung, dass er ausgerottet werden kann», erklärt Eyer. Mittlerweile habe man sich zwar mit dem Insekt arrangiert. «Es ist aber beunruhigend, zu sehen, wie die Kartoffelproduktion vom einen ins nächste Jahr plötzlich massiv bedroht sein kann.» Für eine Einschätzung, wie stark die Ernte durch die Kartoffelkäfer gefährdet ist, ist es gemäss Swisspatat, der Branchenorganisation der Schweizer Kartoffel, noch zu früh. Geschäftsführer Christian Bucher sagt: «Der Ertrag der Kartoffeln ist von vielen Faktoren abhängig, der Kartoffelkäfer ist nur einer davon.» Das Wetter spiele eine grosse Rolle. So auch in den zwei vergangenen Jahren: 2022 musste die Schweiz circa 85 000 Tonnen Kartoffeln importieren, weil es zu heiss und trocken war. Das Jahr davor vermieste das nasse Wetter die Ernte. «Im Durchschnitt hat die Schweiz aber eine Selbstversorgung von 85 Prozent», sagt Bucher. (cbl)

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