Grosse Freude in Rumänien nach EM-Qualifikation
Während in der Schweiz die Qualifikation für die EM eher zur Kenntnis genommen als bejubelt wird, ist die Freude bei den Rumänen riesig. Sie sind erstmals seit 2016 an einem grossen Turnier dabei.
Es gibt Geschichten im Fussball, die scheinen direkt aus einem Drehbuch zu kommen. Am Samstag trifft Ianis Hagi im ungarischen Felcsut zum 2:1 gegen Israel und feiert kurz darauf die gelungene EM-Qualifikation. Fast genau 30 Jahre zuvor hatte sich Rumänien in Cardiff mit demselben Resultat gegen Wales für die WM in den USA qualifiziert. Unter den Torschützen war damals ein gewisser Gheorghe Hagi, Ianis’ Vater.
«Ich glaube nicht an Zufälle, sondern an das Schicksal», sagt der 25-Jährige, der nach Spielschluss auf die Parallelen angesprochen wird. «Und das Schicksal bestimmst du durch harte Arbeit seit der Kindheit mit.»
Welch Genugtuung für den Offensivspieler, der vor fünf Jahren das schwierige Erbe angetreten ist. Sein Vater ist mit 35 Treffern nicht nur Rekordtorschütze des Landes, er gilt überhaupt als grösster Fussballer der rumänischen Geschichte.
Hagis Vorschusslorbeeren
Man kann sich vorstellen, wie gross der Druck für einen Jungen sein muss, der seine fussballerische Ausbildung in der nach seinem Papa benannten Akademie antritt. Doch zu Beginn lief für Ianis Hagi alles nach Plan: Mit 16 gab er sein Debüt in Rumäniens höchster Liga und noch vor seinem 18. Geburtstag folgte der Schritt ins Ausland. Für eine Ablösesumme von 2 Millionen Euro sicherte sich die ACF Fiorentina die Dienste des Talents.
In Italien stockte es erstmals mit dem Lauf nach oben. Nach zwei Jahren, in denen Hagi nur zwei Spiele in der Serie A bestritten hatte, kehrte er nach Rumänien zurück. Den Durchbruch schien der Aussenläufer schliesslich bei den Rangers in Glasgow zu schaffen, wo er nach einem Zwischenhalt in Genk landete. So erhielt er nach seiner ersten vollständigen Saison bei den Schotten gleich mehrere Auszeichnungen, darunter den «Playmaker of the Season Award» für die meisten Assists in der Liga.
Doch im Januar 2022 zog sich Hagi eine schwere Knieverletzung zu, die ihn ein ganzes Jahr ausser Gefecht setzen sollte. Nach der beschwerlichen Rückkehr aufs Fussballfeld und nur acht Meisterschaftseinsätzen in der letzten Saison wurde Hagi im Sommer an Deportivo Alaves ausgeliehen. Dass er beim spanischen Erstligisten zu alter Sicherheit zurückfindet, zeigte sich besonders im Nationalteam, wo er an vier der letzten sechs Treffer beteiligt war.
Rumäniens Durststrecke
Neben der persönlichen Erlösung war Hagis Treffer auch eine Befreiung für Fussball-Rumänien, das in den letzten Jahren viele Enttäuschungen verkraften musste. Besonders die Qualifikation für die EM 2021, an der Rumänien mit Bukarest eine der insgesamt elf Austragungsorte stellte, verlief bitter. Die «Tricolorii» klassierten sich in der Gruppe einzig vor Färöer und Malta und scheiterten im Playoff an Island. Während zahlreiche Länder an der EM zu Heimspielen kamen, mussten die Rumänen zuschauen, wie andere Nationalteams in ihrer «Arena Nationala» aufliefen.
Es folgte die missglückte Qualifikation für die WM in Katar, womit die einst stolze Fussball-Nation noch immer auf die erste WM-Teilnahme im 21. Jahrhundert wartet. Und im letzten Jahr kam der nächste Tiefpunkt mit dem Abstieg in die Drittklassigkeit der Nations League. Unter diesen Voraussetzungen war selbst die günstige Auslosung für die derzeitige Qualifikations-Kampagne kein Garant für Erfolg.
Entsprechend gross war der Jubel am Samstag. Nach Schlusspfiff sackten einige Spieler auf die Knie, andere fielen sich stürmisch in die Arme. Rund 600 mitgereiste Fans feierten das Nationalteam und auch Ministerpräsident Marcel Ciolacu zeigte sich ergriffen von der Euphorie: «Gut gemacht, Jungs», schrieb er in den sozialen Medien. «Nach Jahren des Wartens habt ihr Rumänien wieder glücklich gemacht.»
Ziel ist der Gruppensieg
Nun blicken Hagi und Rumänien einer hoffnungsvollen Zukunft entgegen, wobei allen klar ist, dass die letzten Erfolge auf einer wackligen Basis stehen. Denn auch das rumänische Nationalteam hat in der schwachen Gruppe nicht geglänzt. Neben Arbeitssiegen bekundeten die Rumänen einige Male etwas Glück. Vor allem beim 2:2 gegen die Schweiz erwies sich das Team von Trainer «Edi» Iordanescu bis zu den zwei Kontertoren in der 90. und 92. Minute als klar unterlegen.
Umso grösser ist der Wunsch, den ersten Platz in der Gruppe gegen den vermeintlichen Favoriten zu verteidigen. Dabei wird das rumänische Nationalteam von 50’000 euphorisierten Fans angetrieben, die sich das Spiel trotz Anpfiff um Ortszeit 21:45 an einem Dienstag nicht entgehen lassen wollen. Das weiss auch Ianis Hagi, der verspricht: «Wir werden alles geben, um den Gruppensieg zu holen und dem ganzen Land nochmals Freude zu bereiten.»