Ruck zur rechten Zeit
Der EV Zug scheint gerade noch rechtzeitig die Kurve gekriegt zu haben. Am Mittwoch kann er in Bern in die Halbfinals einziehen.
Die Playoffs sind wie eine neue Saison: Was in der Qualifikation war, zählt nichts mehr. Wenn dann allerdings das erste Spiel nach einer 3:1-Führung nach 40 Minuten mit 3:4 verloren geht, nachdem es in neun der letzten zehn Partien der Regular Season eine Niederlage abgesetzt hatte, werden die Zweifel nicht kleiner. Umso mehr, wenn von Trainer Dan Tangnes zu hören ist, dass sie kein Playoff-Eishockey gespielt hätten.
Der Titel auf der Homepage der NZZ nach dieser ersten Partie lautete: «Beim EVZ zeigen sich Risse im Fundament – ist die Auftaktniederlage gegen Bern ein Vorbote für ein stürmisches Frühjahr?» Der Eishockey-Experte der Luzerner Zeitung schrieb: «Jetzt muss auch der EVZ-Trainer zur Höchstform auflaufen.»
Halbfinals unter Tangnes noch nie verpasst
Acht Tage später sieht die Gefühlswelt bei den Zugern komplett anders aus, führen sie doch in der Serie mit 3:2 und benötigen bloss noch einen weiteren Sieg, um die Halbfinals zu erreichen. Diese haben sie seit der Amtsübernahme von Tangnes im Jahr 2018 noch nie verpasst. 2021 und 2022 holten sie den Titel, 2019 scheiterten sie im Final an Bern, und vor einem Jahr bedeutete im Halbfinal der spätere Meister Genève-Servette Endstation. 2020 wurden wegen der Coronavirus-Pandemie keine Playoffs gespielt.
Das 6:2 war nach dem 6:1 vier Tage zuvor der zweite klare Heimsieg gegen den SCB im Viertelfinal, nachdem die Zuger zuvor nur einmal im neuen Jahr vor heimischem Publikum nach 60 Minuten gewonnen hatten – am 2. Januar mit 4:0 gegen die Rapperswil-Jona Lakers. Der smarte Tangnes scheint also doch noch die richtigen Knöpfe gedrückt zu haben.
«Wir wussten, dass wir das nötige Potenzial in der Mannschaft haben und es bloss einen kleinen Funken braucht, damit es einen Ruck gibt. Das zeigten wir in Spiel 2 (4:1 in Bern)», sagt Dominik Schlumpf im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA nach dem 6:2. Der 33-jährige Verteidiger, der seit November 2014 bei den Zentralschweizern spielt, schoss das wegweisende 1:0.
Es war für Schlumpf bereits der zweite Treffer in den laufenden Playoffs, nachdem er in der Qualifikation und in der gesamten Saison davor nur einmal erfolgreich gewesen war. «Wir lösten gut aus, ich sah die Lücke und Lino (Martschini) bediente mich perfekt», beschreibt er den Treffer. «Danach konnten wir unser Spiel aufziehen und schossen im richtigen Moment die weiteren Tore.»
Klare Vorteile auf Goalie-Position
Die Zuger besitzen nun zwei Chancen, den SCB im 13. Playoff-Duell zum fünften Mal zu bezwingen. Die Aktien stehen umso besser, als der EVZ auf der Torhüterposition klare Vorteile hat. Während der siebenfache Meistergoalie Leonardo Genoni seit der zweiten Partie in dieser Serie für den gewohnten Rückhalt sorgt, genügen die Berner Keeper bisher nicht. Die Abwehrquote des Schweden Adam Reideborn beträgt im Viertelfinal 84,78 Prozent, jene von Philip Wüthrich 83,33 Prozent.
Letzterer wurde am Montag in der 18. Minute nach zwei unhaltbaren Gegentoren ausgewechselt, obwohl er beim 3:2 im Spiel davor überzeugt hatte. Das Potenzial von Wüthrich ist unbestritten, doch so ist es selbstredend schwierig, dieses zu entfalten. Jedenfalls war dessen Agent auf der Medientribüne ziemlich aufgebracht und fluchte heftig über den Berner Headcoach Jussi Tapola.
Es spricht nun also vieles für die Zuger. Jedoch waren diese nach dem 6:1 in der dritten Partie zwei Tage später nicht bereit, wurden sie vom SCB trotz des knappen Resultates klar dominiert. Haben sie daraus gelernt? «Das nächste Spiel wird sicher das härteste der Serie», sagt Schlumpf. «Es gilt, genau gleich aufzutreten wie heute, das heisst, erneut von Anfang an aktiv zu sein und uns in jeder Zone gut zu unterstützen. Es müssen alle fünf Spieler integriert sein.» Was bei einem Nachlassen passiert, haben die Zuger in dieser Saison öfter als ihnen lieb ist, zu spüren bekommen.