Kate Winslet: «Die feministische Bewegung gab mir Kraft»
Die britische Schauspielerin und Produzentin Kate Winslet hat am 20. Zurich Film Festival ihren neuen Film «Lee» präsentiert. Die feministische Bewegung der letzten Jahre hat sie zu dem Biopic über die amerikanische Kriegsreporterin Lee Miller ermutigt.
Am Vorabend noch hatte sich Kate Winslet («Titanic», «The Reader», «The Holiday») an der Verleihung des Golden Eye Awards humorvoll und gesellig gezeigt. Während des Gesprächs mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Dienstag in Zürich ist sie ernst.
Dass «Lee» für die 49-jährige Oscarpreisträgerin mehr ist als ein weiterer neuer Film, zeigt sich in einer ausgeprägten Dringlichkeit in ihren Worten. Und in den Gesten. Etwa, wenn sie sich vor ihren Antworten nachdenklich zurücklehnt, um sich einen Augenblick später über den Tisch zu beugen und dem Gegenüber beim Reden direkt in die Augen blickt. Mit dem Independent-Filmporträt über die US-amerikanische Kriegsfotografin Lee Miller (1907-1977), die die Label «Ex-Model» und «Muse von US-Fotograf Man Ray» nie wirklich losgeworden ist, will Kate Winslet eine klare Botschaft senden.
Sie haben rund zehn Jahre an «Lee» gearbeitet. In dieser Zeit hat sich in der feministischen Bewegung viel getan. Wie haben die Entwicklungen ihr Projekt beeinflusst?
Kate Winslet: «Ich habe nie daran gezweifelt, dass ich diesen Film machen würde, aber es gab Momente, in denen ich mich fragte, wie ich das alles schaffen soll. Die feministische Bewegung der letzten Jahre ermutigte mich auf jeden Fall, dran zu bleiben. Sie gab mir aber auch das Gefühl, dass es okay ist, sich Zeit zu nehmen, mit dem Drehbuch oder der Sicherung der Finanzen. Ja, sie gab mir Kraft.»
Überraschenderweise fokussiert der Film nicht so stark darauf, wie hart es für Lee Miller gewesen sein muss, sich in einem männerdominierten Umfeld durchzusetzen.
Winslet: «Wir hatten nicht die Absicht, das so zu statuieren. Es reichte uns, zu zeigen, dass sie eine von sehr wenigen Kriegsfotografinnen war. Viel wichtiger war uns die Einzigartigkeit ihrer Arbeit. Die Natur ihrer Fotografie, die Art, wie sie ihre Rolleiflex benutzte, um durch sie hindurch die Augen der Menschen zu treffen.»
Gibt es Dokumente, die belegen, wie sich Lee Miller als Frau ihrer Zeit gefühlt hat?
Winslet: «Ich habe Tagebucheinträge aus ihrer Jugend gelesen. Lee Miller hatte schwere psychische Probleme als Teenager, und ein sehr geringes Selbstbewusstsein. Dass sie diese Schwierigkeiten als Erwachsene überwunden hat, ist bemerkenswert.»
Sie haben in Interviews erzählt, wie stark Sie sich mit Lee Miller verbunden fühlen. Hat sie Entscheidungen getroffen, die Sie nicht nachvollziehen können?
Winslet: «Im Gegensatz zu mir, die mit 25 Jahren zum ersten Mal Mutter wurde, hatte Lee Miller zu Kriegszeiten noch kein Kind. In dem Sinn kann ich natürlich nicht alles genau nachvollziehen. Aber nein, ich habe ihre Entscheidungen nie hinterfragt. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass ich meine eigene Überzeugung, diesen Film zu machen, nie hinterfragt habe.»
Was hätte Lee Miller von Ihnen lernen können?
Winslet: «Ich werde nächstes Jahr 50, was ich grossartig finde. Und je älter ich werde, desto mehr lerne ich, immer mal wieder einen Gang runter zu schalten. Zu denken bevor ich rede, beispielsweise. Ich bin nicht vorsichtiger geworden, aber vielleicht achtsamer, um ein etwas abgehalftertes, aber eben auch treffendes Wort zu nennen. Ich hätte Lee gewünscht, dass sie auch mal hätte innehalten können.»
«Lee» ist ein Film über eine Frau, die zu Unrecht lange auf ihre Zeit als Model reduziert worden ist. Es ist aber auch ein Film über Krieg. Welche Rolle spielt das für Sie angesichts der aktuellen Weltlage?
Winslet: «Es wird immer unschuldige Opfer in Konflikten geben. Lees Absicht, in die dunklen Ecken zu schauen, die visuelle Stimme dieser Opfer zu sein, bleibt extrem wichtig. Ich denke, der Film gibt uns die Möglichkeit, die Wichtigkeit der Arbeit von Kriegsreporterinnen und -reportern besser zu erkennen. Und zu würdigen.»*
*Dieser Text von Miriam Margani, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.