Selenskyj präsentiert «Siegesplan»
Nach wochenlanger Diskussion stellt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj an diesem Mittwoch seinen sogenannten Siegesplan im Parlament in Kiew öffentlich vor. Zuletzt hatte Selenskyj die neue Strategie für eine Beendigung des Krieges den westlichen Partnern bei Besuchen in Washington, London, Paris, Rom und Berlin präsentiert. An diesem Donnerstag soll er den Plan auch beim EU-Gipfel in Brüssel vorstellen.
Der ukrainische Staatschef hofft, den Angreifer Russland zum Frieden zu zwingen. Soweit bekannt, ist eine Einladung in das westliche Militärbündnis Nato Teil der Strategie.
Die Ukraine fordert auch immer wieder eine Freigabe für den Einsatz weitreichender westlicher Waffen gegen Ziele auf russischem Territorium. Dies soll den Krieg stärker in die russische Gesellschaft hineintragen.
Ebenso steht eine stärkere Flugabwehr auf Selenskyjs immer wieder öffentlich vorgebrachten Wunschliste. Russische Raketen und Drohnen sollen auch von polnischem oder rumänischem Territorium aus abgeschossen werden. Kiew erwartet ebenfalls stärkere westliche Investitionen in die ukrainische Rüstungsindustrie.
Zuletzt hatte Selenskyj mehrfach die Hoffnung geäussert, den Krieg 2025 zu ukrainischen Bedingungen beenden zu können. Russland war im Februar 2022 in das Nachbarland einmarschiert. Es kontrolliert einschliesslich der bereits 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim etwa ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebiets.
Kiew bereitet sich auf dritten Kriegswinter vor
Die Ukraine bereitet sich unterdessen auf ihren dritten Kriegswinter und weitere russische Angriffe auf ihr Energie-Versorgungsnetz vor. Wie Präsident Selenskyj mitteilte, hat er sich mit Vertretern verschiedener Ministerien und der Energieversorger des Landes getroffen, um Massnahmen zum Schutz der Infrastruktur zu besprechen. «Jede Dienststelle und alle Institutionen haben klare Aufgaben», sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache.
«Die Diskussion drehte sich um alle Ebenen zum Schutz der Energie-Infrastruktur, einschliesslich technischer Aspekte, sowie um elektronische Kriegsführung und Flugabwehr», berichtete Selenskyj auf der Plattform Telegram.
«Die Luftwaffe wird beteiligt sein», deutete Selenskyj einen Teil der besprochenen Schutzmassnahmen an. «Ausserdem haben wir beschlossen, unsere Flugabwehr entlang der Fronten und Grenze zu verstärken.» Daneben seien Details der Verstärkung der Luftverteidigung diskutiert worden, ebenso wie mögliche Abwehrmassnahmen gegen Kamikaze-Drohnen und verschiedene Raketentypen, die von russischer Seite eingesetzt werden. Zudem habe man Pläne zur schnellen Reparatur von Schäden sowie einer Dezentralisierung von Energieversorgern erarbeitet.
In den vergangenen beiden Kriegswintern hat das russische Militär wiederholt die ukrainische Energie-Infrastruktur angegriffen und schwer beschädigt. Mit dem Ausfall von Strom und der damit verbundenen Wasser- und Wärmeversorgung zur kältesten Jahreszeit wurde die Zivilbevölkerung der Ukraine unter Druck gesetzt. Inzwischen hat die Ukraine massive Hilfe aus dem Ausland zum Wiederaufbau des Energienetzes sowie weitere Flugabwehr-Systeme zu dessen Schutz erhalten.
Diskussion über Alter der Mobilmachung
Die USA machen offenkundig Druck auf Kiew, die Altersgrenze zur Mobilmachung von bisher 25 Jahren zu senken. Das berichtete Präsidialberater Serhij Leschtschenko auf Telegram. «US-Politiker beider Parteien bedrängen Präsident Selenskyj mit der Frage, warum die Ukraine nicht die 18- bis 25-Jährigen mobilisiert», schrieb Leschtschenko. Als Argument führten die Amerikaner an, dass im Vietnam-Krieg auch 19-Jährige eingezogen worden seien.
Damit deute die amerikanische Seite an, dass westliche Waffen allein nicht ausreichten, also sollte Kiew auch junge Menschen ab 18 mobilisieren. Selenskyj allerdings sei bemüht, das bisherige Verfahren beizubehalten. In der Ukraine werden wehrfähige Männer im Alter von 25 bis 60 Jahren mobilisiert. Junge Männer im Alter zwischen 18 und 25 Jahren müssen sich für den Wehrdienst registrieren und dürfen in dieser Zeit das Land nicht verlassen. Diese Jahrgänge gelten allerdings als schwach.
Kämpfe in der Ostukraine dauern an
An den Fronten im Osten der Ukraine lieferten sich die Kriegsparteien erneut schwere und verlustreiche Kämpfe. Im Mittelpunkt lagen einmal mehr die Brennpunkte Torezk und Pokrowsk. In Torezk, das russische Einheiten bereits zur Hälfte kontrollieren, waren die ukrainischen Verteidiger mehreren russischen Luftangriffen ausgesetzt, wie der Generalstab in Kiew in seinem Lagebericht mitteilte.
Bei Pokrowsk wurden insgesamt 14 russische Angriffe im Tagesverkauf registriert. Auch an diesem Frontabschnitt griff die russische Luftwaffe an und belegte die ukrainischen Stellungen mit gelenkten Gleitbomben.
Angesichts des drohenden Vorrückens russischer Truppen ordneten die ukrainischen Behörden die Evakuierung von Teilen der Zivilbevölkerung aus der Region Kupjansk an. Familien mit Kindern wurden angewiesen, die Stadt zu verlassen, wie Militärverwalter Oleh Synjehubow im Fernsehen mitteilte. Kupjansk liegt östlich von Charkiw.
Die ukrainische Flugabwehr meldete am Abend neue Einflüge russischer Drohnen. In der Nähe der Städte Sumy und Charkiw seien mehrere Schwärme gesichtet worden. Später wurden auch aus Mykolajiw und Cherson im Süden Drohnen-Einflüge gemeldet. Für eine Reihe von Städten, darunter auch Kiew, wurde Alarm ausgelöst. Die Flugabwehr in mehreren Regionen sei im Einsatz, berichteten ukrainische Medien ohne weitere Angaben.