Jérôme Kym kommt an den Swiss Indoors auf den Geschmack
Jérôme Kym muss sich bei seiner Premiere an den Swiss Indoors dem französischen Top-20-Spieler Ugo Humbert nach harter Gegenwehr beugen. Sein Potenzial lässt der 21-jährige Aargauer aber aufblitzen.
Der Aufschlag? Krachend. Die Power? Beeindruckend. Die Körpergrösse, die ihn zu Juniorenzeiten an den Swiss Indoors davon abhielt, ein zweites Mal als Balljunge dabei zu sein, ist als Spieler sein Vorteil. Und das Selbstvertrauen? Das ist augenscheinlich gleichermassen vorhanden wie die hohen Ambitionen.
Die Rede ist nicht von Dominic Stricker oder Leandro Riedi, die 2020 am French Open den Final bei den Junioren bestritten, sondern von Jérôme Kym, dem ein Jahr jüngeren, wahrscheinlich formstärksten Schweizer Tennisspieler der letzten Monate. Zwei Challenger- und zwei ITF-Turniere hat das 1,98 m grosse Talent aus Möhlin in diesem Jahr gewonnen. In der Weltrangliste verbesserte sich der Fricktaler, der wie Roger Federer aus dem TC Old Boys Basel entwachsen ist, in diesem Jahr von Platz 444 auf 140.
Ein Zufall sind die jüngsten Erfolge nicht. Für die Schweizer Tennis-Instanz Heinz Günthardt etwa gehörte Kym mit 15 Jahren zu den grössten Talenten weltweit. 2017 wurde er mit dem Schweizer Team U14-Weltmeister, im Final bezwang er Carlos Alcaraz. Noch vor dem 16. Geburtstag debütierte er 2019 gegen Estland mit einem Sieg für die Schweiz im Davis Cup.
Top 100, lieber früher als später
Die hohen Ziele decken sich mit den Perspektiven: «Ich will in die Top 100 und glaube fest daran, dass ich das noch in diesem Jahr schaffe», sagt Kym am Montag nach der knappen Niederlage gegen Ugo Humbert (ATP 16) an den Swiss Indoors, seinem ersten Match im Hauptfeld eines ATP-Turniers.
Der Frust über die Niederlage und das entscheidende Break zum 5:7 im dritten Satz gegen seinen ersten Gegner aus der Top 50 der Weltrangliste sind ihm eine halbe Stunde nach dem Matchball noch ins Gesicht geschrieben. «Im Moment ist es schwierig. Ich brauche noch ein paar Stunden, um das Spiel in Ruhe analysieren zu können», sagt er. Erst später schiebt er nach: «Auch wenn ich verloren habe, bin ich ziemlich stolz darauf, wie ich die Situation gehandelt habe. Ich halte eigentlich gut mit und gewinne einen Satz. Jetzt gerade bin ich richtig enttäuscht, aber wenn ich sehe, wo ich vor fünf, sechs Monaten stand, kann ich zufrieden sein.»
Aus solchen Niederlagen lerne man am meisten, sagt Kym weiter. Zudem zeigt ihm das Spiel, dass die Lücke zu den Besten nicht mehr gross ist. «Ich bin die Nummer 140, er die 16, aber ich bin voll dabei. Ich weiss jetzt, dass ich nahe dran bin, solche Spieler schlagen zu können.»
Über Umwege
Um es an die Pforte zu den 100 besten Tennisspielern der Welt zu schaffen, musste Kym indes einen Umweg machen. Wiederholt bremsten ihn in der jüngeren Vergangenheit körperliche Probleme aus. Im Oktober 2022 trat Kym zum ersten Mal in der Qualifikation der Swiss Indoors an. Er verlor gegen den Slowaken Laszlo Djere nach 6:1, 5:1-Führung, und wie sich herausstellte, blieb es für eine Weile sein letzter Match. Probleme mit der Patellasehne und eine Fehlstellung der linken Kniescheibe setzten ihn ausser Gefecht.
Im März 2023 gelang Kym im italienischen Trento mit seinem ersten ITF-Turniersieg ein Comeback nach Mass. Doch drei Monate später folgte aufgrund einer neuerlichen Entzündung der Patellasehne der nächste Rückschlag. Die Folge: eine Knie-Operation und längere Reha-Phase.
Nun also das starke, aber nicht mit einem Sieg belohnte Debüt im Hauptfeld eines ATP-Turniers. Und der Eindruck, dass mit Jérôme Kym eher früher als später regelmässig an ATP-Turnieren zu rechnen ist. Wenn der Körper keine weiteren Umwege erzwingt.