Johannes Thingnes Bö auf dem Weg zum Rekordweltmeister
Der Sprint der Männer an der Biathlon-WM in Lenzerheide steht unter besonderer Beobachtung. Der Norweger Johannes Thingnes Bö könnte Landsmann Ole Einar Björndalen als Rekord-Weltmeister entthronen.
Am Mittwoch in der Mixed-Staffel hatte es noch nicht geklappt. Aber Johannes Thingnes Bö zeigte als Schlussläufer eine eindrückliche Aufholjagd und führte sein Team beinahe noch auf Platz 3. Diese Leistung unterstrich die Top-Form des 31-Jährigen und macht ihn zum Favoriten für die kommenden sechs Einsätze – oder deren fünf, sofern er die Single-Mixed-Staffel auslässt.
Die Konkurrenz im Sprint vom Samstag ab 15.05 Uhr kommt primär aus dem eigenen Lager. Der WM-Führende Sturla Holm Laegreid oder auch Bös in dieser Saison schon zweimal siegreich gebliebener Bruder Tarjei stehen bei jedem Rennen auf der Liste der Favoriten. Die Franzosen sind ebenfalls konkurrenzfähig, die Schweden hoffen auf Sebastian Samuelsson, die Italiener auf Tommaso Giacomel und die Schweiz auf Niklas Hartweg.
Als Dank für das Engagement von Niklas Hartwegs Eltern für den Biathlon wurde ein steiler Anstieg auf der WM-Strecke offiziell als «Hartweg Hill» benannt. «Mit einer Medaille könnte ich diesen Namen erben und für mich beanspruchen», witzelt der Athlet Hartweg.
20:20 unentschieden
Johannes Thingnes Bö und den 51-jährigen Ole Einar Björndalen trennen 20 Jahre. Um die Zahl 20 dreht sich auch der WM-Rekord. Beide haben 20 WM-Goldmedaillen erkämpft, wobei Björndalen mit mehr silbernen bestückt ist und deshalb noch auf Platz 1 liegt.
In der Schweiz gibt Bö seinen WM-Abschied. Das Karriereende ist angekündigt, trotz des anstehenden Olympiawinters ist im März Schluss, die Familie habe nun Vorrang. Der 31-Jährige steht also unter einem gewissen Druck. Allerdings zweifelt kaum einer, dass er zumindest die Zahl 21 schaffen wird.
Die GOAT-Diskussion
In Lenzerheide oder spätestens nach Saisonende wird die Frage aufkommen, wer denn nun der grösste Biathlet aller Zeiten sei. In der GOAT-Diskussion gibt es drei Lager:
Die Pro-Bö-Fraktion verweist darauf, dass ihr Schützling all die Erfolge in einer viel kürzeren Zeitspanne geholt habe und mehr WM-Gold im Schrank hängt. Die Anhänger von Björndalen kontern mit der besseren Olympia-Bilanz des Oldies, der Anzahl Weltcupsiege (95:88) und dem Hinweis, dass in Björndalens Anfängen an Titelkämpfen weniger Medaillensätze vergeben wurden.
Und ein drittes Lager foutiert sich um diese Diskussion. Die Frage nach dem grössten Biathleten aller Zeiten sei mehr ein Thema der Medien und allenfalls der Fans, nicht aber der Sportler. Zu dieser Gruppe zählt auch Ricco Gross, der vierfache Olympiasieger und neunfache Weltmeister: «5, 7 oder 20. Das spielt letztlich keine Rolle. Alle können mit ihren Erfolgen zufrieden sein», sagt der Schwiegervater von Lena Häcki-Gross.