Weltmeisterin gewinnt nach überstandener Grippe
Federica Brignone dominiert nach dem Gewinn des WM-Titels auch bei der Rückkehr in den Weltcup-Alltag. Sie gewinnt in Sestriere den ersten von zwei Riesenslaloms vor der Neuseeländerin Alice Robinson.
Sie hatte zu kämpfen – nicht nur in den beiden Läufen, sondern schon vor dem ersten Riesenslalom in Sestriere, mit dem eines der zwei in Mont-Tremblant abgesagten Rennen nachgeholt wurde. In der Station in der kanadischen Provinz Québec konnte Anfang Dezember wegen Schneemangels nicht gefahren werden.
Brignones Kampf hatte schon kurz nach dem Gewinn des WM-Titels in Saalbach eingesetzt. Wegen einer Grippe war sie zum Nichtstun gezwungen. Schlafen, ruhen, das Bett hüten – das war nichts für sie, die sich nicht gewöhnt ist, nichts zu tun. Noch nie in ihrem Leben habe sie sechs Tage am Stück zuhause bleiben müssen, sagte die Italienerin nach dem dritten Sieg in der laufenden Weltcup-Saison in einem Riesenslalom.
Sie wollte natürlich um jeden Preis dabei sein im eigenen Land, dort, wo sie fünf Jahre zuvor schon einmal einen Weltcup-Riesenslalom gewonnen hatte. Gemeinsam mit der nach wie vor rekonvaleszenten Slowakin Petra Vlhova siegte sie – mit einem Hundertstel Vorsprung vor Mikaela Shiffrin. Die Amerikanerin hatte dieses Mal mit dem Kampf um die Spitzenplätze nichts zu tun. Bei ihrem ersten Start in einem Riesenslalom seit dem verhängnisvollen Sturz Ende November in Killington, Vermont, fand sie sich nach zwei mit Vorsicht absolvierten Fahrten im Schlussklassement auf Platz 25 wieder.
Das neuerliche Duell
Brignones Kampf um den Sieg war ein neuerliches Duell mit Alice Robinson. Wie an der WM behielt sie im Aufeinandertreffen der derzeit mit Abstand besten Riesenslalom-Fahrerinnen das bessere Ende für sich. Vier Zehntel entschieden zu ihren Gunsten, nachdem die Neuseeländerin nach halbem Pensum noch vorne gelegen hatte. Die beiden blieben für die Konkurrenz ein weiteres Mal unerreicht.
Die Norwegerin Thea Louise Stjernesund auf Platz 3 lag schon mehr als anderthalb Sekunden zurück. Dank den 100 Punkten baute Brignone als Führende in der Weltcup-Gesamtwertung ihren Vorsprung auf ihre erste Verfolgerin, die am Freitag im ersten Lauf gescheiterte Lara Gut-Behrami, auf 170 Punkte aus.
Der Ausfall von Gut-Behrami bestätigte die Lage im Frauen-Riesenslalom aus Schweizer Sicht. Fällt die Tessinerin aus, vermag keine ihrer Teamkolleginnen in die Bresche zu springen. Camille Rast wird am ehesten zugetraut, dies in Zukunft zu tun. Die Walliserin befindet sich auch in ihrer zweiten Disziplin auf einem guten Weg, wie unter anderem Rang 3 vor knapp drei Monaten in Killington zeigt, wie sie auch am Freitag mit Platz 9 wieder angedeutet hat. Besser wäre es allerdings, wenn es dereinst nicht die Slalom-Weltmeisterin allein richten müsste – dann, nach dem Rücktritt von Lara Gut-Behrami.
Die fast vergessene Zeit
Federica Brignone – vorab bekannt als erfolgreiche Spitzensportlerin. Dabei geht fast vergessen, dass sie in früheren Jahren ebenfalls lange um den Erfolg zu kämpfen hatte. Die gebürtige Mailänderin, die ihren Wohnsitz im Alter von sechs Jahren mit der Familie nach La Salle im Aostatal verlegte, hatte im Weltcup wohl schon früh auf sich aufmerksam gemacht. Bereits in ihrem vierten Riesenslalom schaffte sie ihre erste Spitzenklassierung. Rang 3 war es für das damals 19-jährige Talent in Aspen, Colorado, geworden. Knapp 15 Monate danach gewann Brignone an der WM in Garmisch ebenfalls im Riesenslalom die Silbermedaille.
Zum ersten Sieg im Weltcup schien es nur eine Frage der Zeit. Doch diese Zeit wurde lang und länger. Es sollte noch mehr als viereinhalb Jahre dauern, bis Brignone ganz oben ankommen sollte. Auf dem Rettenbach-Gletscher oberhalb von Sölden wars dann endlich soweit.
Einer der Gründe für das lange Warten war eine Zyste am rechten Sprunggelenk, die vor gut zwölf Jahren eine Operation erforderte und das vorzeitige Saisonende bedeutete. Brignone verpasste dadurch auch die Teilnahme an der WM in Schladming.
Seit der Premiere in Sölden ist Brignone eine Erfolgsgarantin. In jedem Winter gewann sie seither zumindest einmal im Weltcup. Dem Alter trotzt sie, die im Juli 35-jährig wird, wie der Konkurrenz. Bei 33 Siegen im Weltcup ist sie mittlerweile angelangt – und damit längst Italiens erfolgreichste Fahrerin. Was fehlt, ist der Olympiasieg. Diese Lücke soll im kommenden Jahr geschlossen werden, bei den «Heimspielen», bei denen die alpinen Wettkämpfe der Frauen in Cortina d’Ampezzo im Programm stehen.
Brignone wird bereit sein am Fuss der Dolomiten, bereit für einen ihrer vermutlich letzten Kämpfe auf der grossen Bühne.