Die Schweizer Krönung fehlt
Die Schweizer Biathleten gehen an der Heim-WM leer aus. Die beiden Massenstartrennen zum Abschluss schreiben das Narrativ der letzten zwei Wochen fort. Gute Ansätze, doch die Krönung fehlt.
Lena Häcki-Gross, die mit ihren 4. (Sprint) und 5. Plätzen (Verfolgung) die WM in Lenzerheide lanciert hatte und die Hoffnungen in die Höhe schiessen liess, war auch im Massenstart der besten 30 bis Rennhälfte auf Kurs Richtung Medaille. Doch sie übernahm sich und büsste mit einem Stehendschiessen zum Vergessen.
So blieben zum Abschluss die soliden Ränge 11 bei den Frauen (Aita Gasparin) und 17 bei den Männern (Niklas Hartweg). Die ersten Titelkämpfe in der Schweiz waren organisatorisch ein voller Erfolg, sportlich bleibt die Bilanz etwas durchzogen. Der Formaufbau stimmte, doch die Nervosität spielte den Schweizern vor den tausenden Zuschauern gerade im Schiessstand zu oft einen Streich. Mit sechs Top-7-Plätzen, darunter dreimal in Einzelwettkämpfen in den ersten fünf, fehlte auch ein wenig das Wettkampfglück, das für die erste Schweizer WM-Medaille notwendig gewesen wäre.
Gut, aber mit Wermutstropfen
«Vor der WM hätten wir wohl für diese Resultate zugesagt», zieht die Cheftrainerin Sandra Flunger eine grundsätzlich positive Bilanz. “Natürlich mit dem Wermutstropfen, dass es mit der Medaille nicht geklappt hat. Dafür wäre man auch auf grössere Patzer der Favoriten angewiesen gewesen. Den Gefallen machten diese jedoch nicht. Nur vier Nationen teilten sich die zwölf WM-Titel, acht gewannen mindestens eine Medaille. Echte Überraschungen waren eigentlich nur der junge Amerikaner Campbell Wright mit zweimal Silber – und einem feinen 4. Platz zum Abschluss im Massenstart – sowie die tschechische Mixed-Staffel, die ebenfalls Zweite wurde.
Frankreich gewann das Duell gegen Norwegen dank der überragenden Frauen mit sechs zu vier Titeln (13 gegen 9 Medaillen), auch wenn die Skandinavier am letzten Tag mit einem Dreifach-Triumph Boden gut machten. Der Rekord-Weltmeister Johannes Thingnes Bö gewann in seinem letzten WM-Rennen hinter den Landsmännern Endre Strömsheim und Sturla Laegreid noch einmal Bronze, die insgesamt 43. WM-Medaille in seiner grandiosen Karriere. Bei den Frauen gewann die Schwedin Elvira Öberg das letzte Gold.
Am Ende der Kräfte
Bei den Schweizern fehlte zum Abschluss bei fast zehn Grad und schwerem Schnee die Kraft für einen letzten Exploit. Gleich drei Männer und zwei Frauen hatten sich erfreulicherweise für die Top 30 qualifiziert, einen Top-Ten-Platz gab es keinen. Aita Gasparin vergab ein besseres Resultat im ersten Liegendschiessen, blieb danach aber fehlerlos und war entsprechend zufrieden. «Ich war sozusagen Letzte, das ist immer so der Moment, wo man entweder alles hinschmeissen oder die Aufholjagd anfangen kann», erklärte die 31-jährige Engadinerin.
In die umgekehrte Richtung ging es für Häcki-Gross. Sie fühle sich noch immer wie betrunken, meinte sie nach dem Rennen mit einem Anflug von Galgenhumor. «Ich habe mich auf der dritten Runde übernommen. Ich musste mit der Spitzengruppe mitlaufen, und in dieser dritten Runde hat es mich ein bisschen aufgestellt», stellte die Obwaldnerin fest. «Dann fängt alles an zu zittern, dann hatte ich keine Chance mehr.»
Auch Hartweg klagte über müde Beine. «Es ist hart, aber ich kann mir keine Vorwürfe machen.» Letztlich sei er aber «extrem zufrieden», denn im Sommer habe er nach seiner Schulteroperation nicht mal gewusst, ob er hier sein würde. So passten am Ende nicht ganz alle Puzzleteile zusammen für eine Medaille.
Dennoch betont Sandra Flunger das Positive in Form einer Riesenstimmung: «Wir hoffen schon, dass es den Fernsehzuschauern zu Hause auch vermittelt hat, wie cool dieser Sport ist.» Auch dass sei ein Ziel dieser ersten Heim-WM gewesen.