Shiffrin in einer eigenen Liga – Holdener in Sestriere Neunte
Mikaela Shiffrin schreibt Geschichte. Die 29-jährige Amerikanerin gewinnt überlegen den Slalom in Sestriere und knackt die Marke von 100 Weltcup-Siegen. Wendy Holdener wird Neunte.
Mikaela Shiffrin liess sich nach der Zieldurchfahrt in den Schnee fallen und blickte ungläubig auf die Anzeigetafel. Die Ausnahmeathletin hatte soeben mit dem 100. Weltcup-Sieg einen weiteren Meilenstein ihrer grossartigen Karriere erreicht. Sie sei so dankbar, sagte Shiffrin, nachdem sie sich wieder aufgerappelt hatte. Die mit Abstand erfolgreichste Athletin der Weltcup-Geschichte war auch wegen der schwierigen Tage zuvor sichtlich ergriffen.
Olympia-Gold 2014 in Sotschi, vier WM-Titel und jetzt 63 Weltcup-Siege – im Slalom fährt Shiffrin mitunter in einer eigenen Welt. Für die Amerikanerin war der Sieg in Sestriere zugleich der 155. Weltcup-Podestplatz ihrer Karriere, womit sie den Rekord des Schweden Ingemar Stenmark egalisierte.
Shiffrins starke Reaktion
Vor allem zeigte sie aber eine starke Reaktion auf die Enttäuschungen in den Riesenslaloms. Am Freitag war Shiffrin im Piemont nur 25. geworden, tags darauf hatte sie gar die Qualifikation für den zweiten Lauf verpasst. Echte Tiefschläge für Shiffrin, die psychisch nach wie vor unter den Folgen ihres heftigen Sturzes beim Riesenslalom in Killington Ende November leidet. Dort hatte sie eine tiefe Stichwunde im Bauchbereich erlitten, die operiert werden musste. Es kam zu Komplikationen, zwei Monate später kehrte Shiffrin in den Weltcup zurück.
Hinter Shiffrin klassierten sich die Kroatin Zrinka Ljutic (0,61 Sekunden zurück) und ihre Landsfrau Paula Moltzan. Es sei «etwas ganz Besonderes, das mit meiner Teamkollegin Paula zu teilen», sagte Shiffrin, die schon nach dem ersten Lauf geführt hatte. Die Amerikanerin nahm sich danach vor, ohne Erwartungen und Druck in den Finaldurchgang zu gehen. Sie habe es dann wie einen Trainingstag mit Paula gesehen, in dem beide Gas geben. «Und wir haben es möglich gemacht.» Mit Tränen in den Augen dankte sie ihren Kolleginnen und dem Trainerteam.
Ihren ersten von unfassbaren 100 Siegen im Weltcup feierte die damals 17 Jahre alte Amerikanerin am 20. Dezember 2012 im Slalom in Are. In ihrer Spezialdisziplin folgten seither 62 weitere Triumphe.
Holdener Neunte, Nuller für Rast
Beste Schweizerin war Wendy Holdener als Neunte. Die Schwyzer WM-Zweite, die in diesem Weltcup-Winter im Slalom dreimal Zweite und einmal Dritte war, büsste 1,25 Sekunden auf die Siegerin ein.
Die Slalom-Weltmeisterin Camille Rast schied in Sestriere bereits im ersten Lauf aus. Die Walliserin legte mit Startnummer 1 furios los. Bis zu ihrem Ausfall war die 25-Jährige sehr schnell unterwegs. Bei der letzten Zwischenzeit-Messung vor dem Ziel lag sie noch knapp zwei Zehntel vor Shiffrin.
Doch Rast, die in den zuvor sieben Weltcup-Slaloms des Winters zweimal gewonnen hatte und nie schlechter als im 5. Rang klassiert war, geriet fünf Stangen vor dem Ziel in Bedrängnis. Sie stürzte heftig auf ihre linke Hüfte und rutschte liegend über die Ziellinie. In der Disziplinen-Wertung verlor Rast, die bei ihrem Sturz eine schmerzhafte Prellung auf der linken Körperseite erlitt, die Position als Führende an Ljutic. Die Kroatin führt vor den letzten zwei Rennen mit 39 Punkten Vorsprung vor Rast.
Danioth mit ersten Punkten seit Januar 2023
Für Mélanie Meillard brachte der achte Weltcup-Slalom des Winters das schlechteste Resultat. Die 26-jährige Westschweizerin konnte in der vergangenen Woche krankheitsbedingt kaum trainieren und ging mit wenig Energie ins Rennen. Nach zuvor sieben Top-10-Klassierungen in dieser Saison resultierte im Piemont mit fast drei Sekunden Rückstand nur der 26. Platz.
Unmittelbar dahinter reihte sich Aline Danioth (27.) ein. Die ebenfalls 26-jährige Urnerin, die zuvor im Winter erst Ende Dezember in Semmering die Finalteilnahme geschafft hatte, dann aber ausgeschieden war, freute sich über die ersten Weltcup-Punkte seit mehr als zwei Jahren. Danioth hatte sich Anfang März 2023, zwei Wochen nach ihrem 6. Platz im WM-Slalom in Méribel, das vordere Kreuzband im rechten Knie gerissen. Es war bereits die sechste schwere Verletzung für die Urnerin, zum vierten Mal war das Kreuzband betroffen.