Niederreiter schreibt Schweizer Eishockey-Geschichte
Sport
December 15, 2025

Niederreiter schreibt Schweizer Eishockey-Geschichte

Er wagt den Sprung nach Nordamerika mit 16, bricht die Lehre als Heizungsmonteur ab und träumt von der NHL. Nun hat Nino Niederreiter als erster Schweizer 1000 Partien in der Regular Season erreicht.

9. Oktober 2010. An diesem Abend bestritt Nino Niederreiter mit den New York Islanders gegen die Dallas Stars sein erstes Spiel in der NHL. Er kam während 11 Minuten und 27 Sekunden zum Einsatz und gab zwei Torschüsse ab. Schon mit 16 Jahren wagte der Churer den Sprung nach Nordamerika und schloss sich dem Juniorenteam Portland Winterhawks an, weshalb er die Lehre als Heizungsmonteur abbrach. Dabei hätte er unter Kulttrainer Arno Del Curto für Davos in der damaligen NLA spielen können.

In der Saison 2011/12 gehörte Niederreiter dann fix zum Kader der Islanders, er verletzte sich aber in der Vorbereitung und konnte erst Mitte November in der besten Liga der Welt auflaufen. Allerdings erhielt er noch keine grosse Rolle, was sich in der Statistik widerspiegelte: Nur ein Tor in 59 Partien. Die darauffolgende Spielzeit – die NHL begann wegen eines Lockouts erst Mitte Januar – musste er komplett beim Farmteam Bridgeport Sound Tigers in der AHL verbringen.

Niederreiter bezeichnete die erste Saison in der NHL als prägendsten Moment: «Es lief mir überhaupt nicht und ich zweifelte schon etwas daran, ob ich es überhaupt jemals schaffe», blickt er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA zurück. «Ich wollte es mir aber selber beweisen, sagte zu mir: ‘Das kann es nicht sein. Du bist so hoch gedraftet worden (als Nummer 5), da muss etwas in dir stecken.’»

Ein No-Go als Wendepunkt

Den Wendepunkt markierte ein eigentliches No-Go. Niederreiters Agent André Rufener bat die Islanders um einen Trade. «Das war damals etwas vom Schlimmsten, was man als Spieler machen konnte», sagt Niederreiter. «Wir gerieten stark in die Kritik.» Allerdings wurde dem Wunsch entsprochen: Der Powerstürmer wechselte im Sommer 2013 im Tausch mit Cal Clutterbuck zu den Minnesota Wild.

Die Wild wollten ihn schon beim Draft. «Das gab mir ein gutes Gefühl und beflügelte mich obendrein noch ein bisschen. Ich bin dankbar, dass wir diesen Schritt gegangen sind», so Niederreiter. Bei Minnesota gelang ihm auch die bisher punktemässig beste Saison in der NHL: In der Qualifikation 2016/17 gelangen ihm in 82 Partien 25 Tore und 32 Assists.

Zweimal wurde Niederreiter getradet – im Januar 2019 von Minnesota zu den Carolina Hurricanes und im Februar 2023 von den Nashville Predators zu den Winnipeg Jets. Bei Nashville hatte er mit seinem guten Freund Roman Josi zusammengespielt, was den Abschied zusätzlich erschwerte.«Letztendlich ist es nach jedem meiner Trades gut herausgekommen, aber du musst so viele Freundschaften von einem Tag auf den anderen beiseite schieben», sagt Niederreiter. «Und du musst jedes Mal wieder beweisen, warum du in dieser Liga bist. Das ist immer wieder eine Herausforderung, denn du bist einfach eine Nummer.»

Ein perfektionistischer Tüftler

Dass sich Niederreiter so lange in der NHL halten konnte, verdankt er auch seiner Adaptionsfähigkeit. Mittlerweile ist seine Rolle eine andere, spielt er doch bei den Jets in einer «Shutdown-Linie», deren Hauptaufgabe primär darin besteht, die gegnerische Top-Reihe zu neutralisieren. War es am Anfang schwierig für ihn, das zu akzeptieren, zumal er jemand ist, der sich auch über Tore definiert? «Unsere Linie hat eine wichtige Rolle. Wenn du gebraucht wirst, ist das das schönste Gefühl.»

Dass er immer noch in der NHL tätig ist, verdankt Niederreiter auch seinem Perfektionismus. Er ist stets auf der Suche nach Möglichkeiten, sein Spiel weiter zu verfeinern. Weil in der besten Eishockey-Liga der Welt grosse und schwere Spieler nicht mehr so gefragt sind wie früher, arbeitete er daran, agiler zu werden. Er tüftelte auch an den Schlittschuhen und beim Stock.

«Es steckt extrem viel Arbeit dahinter», sagt Niederreiter. In den Sommertrainings sei er jeweils sehr egoistisch unterwegs, denn das seien die Monate, in denen er sich auf die lange Saison vorbereiten müsse. «Das ist für die Freundin und die Familie nicht immer einfach.»

Intensive Spielweise fordert Tribut

Zählt es zu seinen grössten Stärken, dass er diesbezüglich keine Kompromisse eingeht, sondern alles Mögliche tut, um die bestmöglichen Voraussetzungen zu schaffen? «Ja, das sicher. Die andere ist meine aufgestellte Art. Deshalb bin ich auch in der Garderobe sehr wichtig.» Wichtig sei zudem, das grosse Bild zu sehen. «Es ist ein Spiel, das wir lieben.»

Niederreiters Vertrag mit den Jets läuft noch bis 2027. In diesem Jahr wird er 35 Jahre alt. Ob er danach in die Schweiz zurückkehrt, weiss er noch nicht: «Es gibt Tage, an denen ich sage: Ja. Dann gibt es Tage, an denen ich denke, dass ich vielleicht noch ein Jahr anhänge. Länger glaube ich eher weniger. Aufgrund der Art, wie ich spiele (sehr körperbetont), merke ich meine Knochen schon mehr und mehr.» Kein Wunder nach 1000 NHL-Partien in der Regular Season – 15 Jahre, zwei Monate und fünf Tage nach seinem Debüt.